1925 - 2000 |
1932 wollte ich Flugzeug spielen, lief einen steilen Berg hinab und stürzte. Das war der Anfang einer langen, schmerzhaften Geschichte, der ich dann Jahre später mein Leben verdankte. Ich war 7 Jahre alt und nochmal 7 Jahre verbrachte ich - mit 2 Unterbrechungen ? im Bett liegend, fast immer bis zum Hals in Gips. 1943 im Krankenhaus in Marburg, das gleichzeitig Lazarett war, traf ich Reinhard Schmidthagen, ein Käthe Kollwitz?Schüler, den sie als ihren geistigen Sohn bezeichnet hatte. Er sah, was ich im Bett liegend malte und kümmerte sich um mich. Er lebte von seiner Schwester versteckt und arbeitete geheim auf dem Dachboden des Marburger Kunstinstituts von Richard Hamann. Ein bedeutender Kunsthistoriker, der das Werk von Schmidthagen sehr schätzte. Es entstand eine tiefe Freundschaft zwischen uns. Reinhard war noch sehr jung, aber er wusste, dass er nur noch kurze Zeit zu leben hatte. Er zeigte mir Fotos von gross?formatigen Holzschnitten seinem erschütternden Zyklus "Guernica" ? den Erlös sollten die Kinder von Guernica bekommen. Er besuchte im Hospital 2 Offiziere, die zum Widerstand gegen Hitler gehörten. Durch sie lernte ich das andere Deutschland kennen. Ich zeichnete sie: Dr. Scheidemann und Herbert von Butlar. Letzterer wurde später, in den sechziger Jahren, Direktor der Hamburger Kunstakademie. Die Amerikaner standen schon in Frankfurt und es kamen die ersten Bombenangriffe auf Marburg. Fenster und Türen flogen aus den Wänden. Meine Schwester holte mich auf einer Bahre nach Höxter, meiner Heimatstadt. Auf dem Kasseler Hauptbahnhof kamen wir in einen Bombenhagel. Meine Schwester blieb bei mir im Zug ? alle anderen flohen in die Bunker. Kurze Zeit später starb Reinhard Schmidthagen: seine Farben bekam ich ? es war wie ein Vermächtnis! In Höxter sah ich Ingrid wieder ? meine grosse Liebe, die ich im gleichen Krankenhaus, als ich 13 Jahre alt war, heiraten wollte. Das Problem: sie war 21! Damals wollte ich ihr etwas auf meiner Mundharmonika vorspielen ? diesmal meine Bilder zeigen! Endergebnis: bis heute sind wir zusammen. Ich malte und malte, machte auch im Krankenhaus, flachliegend, Porträts aus Ton. Im gleichen Raum stellte mein Zimmergenosse davon Abgüsse in Gips her! Er konnte das - die Ärzte fanden das toll und die Schwestern tolerierten es. Kurz von Ende des Krieges ? Höxter war wegen der Weserbrücke ein strategisch wichtiger Punkt ? baute mir mein Vater am Waldrand, ausserhalb der Stadt, rasch ein kleines Holzhaus, "die Hütte", neben der Hütte von Michael Buthe, meinem Vetter. Auch er wollte Maler werden. Nachdem ein Geschoss 10 Zentimeter neben mir in des Holzgeländer, vor dem ich stand, einschlug, hissten wir die "Weisse Fahne". Der Krieg war zu ende. Ich konnte langsam wieder gehen und arbeitete wie besessen. Die Folge war, dass immer mehr Menschen die Bilder sehen wollten, Es sprach sich herum: Da oben am Berg ist so ein verrückter junger Maler, der macht "entartete Kunst". 1945 kam der Buch? und Kunsthändler Henze zu mir und wollte eine Ausstellung von mir machen. Er kannte Nolde, die Expressionisten, schon bevor sie "entartet" waren. Meine erste Ausstellung ? ich habe sie nie gesehen, man hatte Angst, dass man mich lynchen würde! Es passierte etwas, was heute nicht mehr vorstellbar ist: Es gab einen Riesen?Menschenauflauf ? die Leute kamen mit Fahrrädern von den umliegenden Ortschaften. Die Schaufenster der Galerie am Marktplatz waren dicht umdrängt. Es wurde gestritten und diskutiert. Am nächsten Morgen waren die Schaufenster weiss zugestrichen, mit der Aufforderung: "Wenn die Bilder nicht verschwinden, schlagen wir die Scheiben ein!" Mein Vater stellte 4 seiner Arbeiter mit Holzknüppeln als Wache davor. In der Westfalen?Zeitung stand, es wäre eine Verunglimpfung des Ebenbildes Gottes! Mein Vater hat die Zeitung sofort abbestellt. Der neuinstallierte Norddeutsche Rundfunk kam nach Höxter ? es war ein Aufstand und das Thema KUNST war in aller Munde. Danach wurde ich eingeladen zur Teilnahme an den Ausstellungen "Künstlerbekenntnisse unserer Zeit" mit Nolde, Schmidt?Rottlof, Emil Schumacher etc. in den Museen in Düsseldorf und Hamburg. So hatte ich als 21?jähriger viele Vorschusslorbeeren. Es ist mir nie zu Kopf gestiegen. Ich habe gearbeitet, immer. Kurz nach dem Krieg fuhr ich mit dem Entwurf einer Kunstzeitschrift nach Hannover ins Pressehaus, um Henry Nannen dafür zu gewinnen. Ich kannte ihn aus Bad Pyrmont, wo er die Zeitschrift "Zickzack" herausgebracht hatte. Diese Zeitschrift wurde in Hannover zum "Stern". Nach 2 Stunden entschied sich Nannen: Er war sehr an dem Thema interessiert ?mein Dummy hiess "Der Turm" ? aber im Moment müsse er seine ganze Kraft dem neuen "Stern" widmen. Unser Kontakt blieb bestehen. Viele Jahre später ? kurz vor seinem Tod ? wollte Nannen, dass ich ihn in Emden besuche. Ich war sehr beeindruckt von der Atmosphäre in Emden. Man spürte die grosse private Initiative und ich war sehr erfreut, dass er so angetan von meinen Bildern war, dass er unbedingt eine Ausstellung in seinem Museum davon machen wollte. Ich werde Henry Nannen nie vergessen!. 1945 sah ich in einer der ersten Zeitschriften "Pinguin" eine Reportage über die Klasse Baumeister. Ich fuhr nach Stuttgart mit einer Mappe meiner besten Arbeiten. Baumeister sagte: "Lass Deine Mappe ruhig zu ? ich möchte nur wissen, willst Du Maler werden und weisst Du, was das heisst?" Erst war ich deprimiert und dachte, nun will er nicht einmal meine tollen Bilder sehen! Etwas später habe ich das gut verstanden: Baumeister hatte Angst, das Künstler Proletariat zu vergrössern. Ich blieb 5 Jahre bei ihm. Er war ein grosser Maler und ein grosser Pädagoge. Jeder mittelmässige Lehrer hätte mir die Zweiteilung meiner Bilder, die Kontrastkomposition ausgetrieben. Er dagegen hat mich in seiner ersten Ausstellung in der Staatsgalerie Stuttgart als seinen Schüler mit präsentiert. Baumeister wünschte, dass wir über seine Bilder reden sollten. Jeden Sonntag konnten wir in sein Atelier kommen. An einem Sonntag, ich habe das nie vergessen, war ein Kollege vom ihm da und ich hörte, wie der sagte. "Du kannst doch von Deinen Schülern nicht Deine Bilder kritisieren lassen ? Du verlierst ja Deine ganze Autorität". Baumeister antwortete: "Ich lerne genausoviel von meinen Schülern, wie die von mir!" Das kann nur einer sagen, der offen ist. Für neue Formulierungen, dessen Buch nicht umsonst den Titel trägt "Das Unbekannte in der Kunst". Er wusste, was heute neu ist war gestern noch ein Fehler. Seine Klasse war voll, gerammelt voll von uns, seinen Schülern und jungen Architekten. Wir sassen auf dem Fussboden ? auch Baumeister ? mit dem Blick an die Wand, an der wir unsere Arbeiten auf Papier, Packpapier, mit Nägeln befestigt hatten. Er sprach über einfache, elementare Dinge, die jeder gebrauchen konnte. Über Schwarz, Ocker, Weiss ? das ist Pensum genug. Über 3 Linien auf einem Papier usw. Farben sind Eure eigene Entscheidung!. Jedes Jahr war in der Akademie in Stuttgart eine Ausstellung aller Klassen. Die Klasse Baumeister hatte Im Gegensatz zu den anderen keine Rahmen, keine Signaturen. Sie waren auch da einfach an die Wand genagelt. "Wir malen keine Bilder, wir studieren sie!" war das Motto. Ingrid habe ich solange etwas vorgejammert, bis sie 1949 mir nach Stuttgart folgte. Sie bekam eine Stelle als Dolmetscherin in der Abteilung für Adult Education im Amerikanischen Konsulat. Dazu eine Schlafstelle zusammen mit 2 fremden kleinen Kindern auf dem "Hallschlag", einem Arbeiterviertel in Stuttgart. Ich wohnte in der Nähe, in der "guten Stube" auf dem Sofa für 5.- DM pro Nacht. Um 22.00 Uhr war Sperrstunde und Ingrid musste in ihrer Wohnung sein. Frauen, die nach 10.00 Uhr abends noch auf der Strasse waren, wurden von der MP in einem amerikanischen LKW eingesammelt. Essen gab es nur auf Lebensmittelkarten. Wir suchten an ausrangierten Eisenbahngleisen oder in verwilderten Gärten ausgebombter Häuser etwas Grünes zum Essen. Etwa ein Jahr später fanden wir in der Nähe der Akademie 2 Zimmer unter dem Dach, wo wir - noch nicht verheiratet ? aufgenommen wurden. Das war nicht normal ? aber ein grosses Glück!. 1950 heirateten wir. Das Hochzeitsessen mit unseren Trauzeugen kostete DM 34,60. Den Blumenstrauss hatte ich vergessen. Wir kauften ihn gemeinsam, bevor wir mit der Strassenbahn von ihrem Büro zum Standesamt fuhren. 1952 entstanden mit selbst angerührten Ölfarben, nach Rezeptur Baumeisters, meine ersten durch eine Linie geteilten Bilder. Willi Baumeister hat mir des 1x1 der Malerei beigebracht. Er war offen für alles Neue und hat es bemerkt. Er wollte keine "kleinen Baumeister"! Er hat gesagt: "ich muss Euch leeren ? mit 2 e ? damit Ihr frei werdet von den überlieferten, vertrauten Dingen und neu anfangen könnt." Das war für mich wichtig! Er wollte mich an Yin + Yang erinnern, von denen ich aber nichts wusste. Jeder hat die zwei Pole in sich: Licht und Schatten, Himmel und Erde, still und bewegt, Emotion und Verstand. Kontraste steigern sich gegenseitig. Wenn ich Rot neben Weiss setze, wird das Rot durch das Weiss intensiver und umgekehrt das Weiss durch das Rot. Kontrast ist das formale Prinzip meiner Bilder. Fast alle Bilder werden produziert, ohne dass sie einer bestellt hat. Wenn sie Resonanz finden, ist das natürlich schön, aber davon kann man nicht ausgehen. Ich habe 25 Jahre nicht von meinen Bildern leben können? von Bildern, die heute viele haben möchten. 1953 wurde Stephan, unser Sohn, geboren. Nun musste ich das Geld verdienen ? kleiner Mann was nun! Ich hatte ausser malen nichts gelernt. Und dann kam mein schönstes Honorar: Für den "Familienfreund" so hiess die Zeitschrift, sollte ich für den Titel eine Federzeichnung eines Mädchens in Tracht zeichnen. An einer meiner 2 Krücken aufgerollt hing die Zeichnung mit einem Bindfaden festgebunden. Ich bekam meinen ersten Lohn: DM 8,50 (achtmarkfünfzig)! So schön kann Geld sein! Um unabhängig von Manuskripten und Auftragserteilungen zu sein, fing ich an Cartoons zu machen. Ich hatte den Amerikaner Saul Steinberg gesehen. In Deutschland gab es nur Karikaturen, die von dem Text lebten, der darunter stand. Mein Rezept war, dass die Pointe in der Zeichnung war ? ohne Worte ? und das ging sehr gut, bis zu ganzen Rückseiten vom "Stern". Später wurde ich gefragt, ob ich auch Illustrationen machen könnte ? ich habe immer ja gesagt. Ich machte fotorealistische Illustrationen. Modelle und Hintergründe wurden gesucht und ich malte mit Ölfarben realistische, oft perspektivisch ungewöhnliche Szenen. Als ich meine erste Probearbeit ablieferte, hörte ich, wie Peter Böhnisch (später Regierungssprecher) zum Chefredakteur sagte: "Wo habt ihr denn den Amerikaner her? Den müsst ihr sofort exklusiv festnageln!" ? "Nein, nein, das ist ein Student der Akademie." Fotorealismus gab es in Deutschland noch nicht. Seit der Zeit habe ich keinen Respekt mehr vor Bildern dieser Art. Nach dem Untergang der Pamir, des deutschen Segelschulschiffes, lernte ich Senator Burda kennen. Ich bekam von ihm den Auftrag, diese Katastrophe in Farbe, doppelseitig zu illustrieren. Thema: Die Kamera war nicht dabei. Nun hatten wir Geld und ich konnte meiner Malerei unbeschwert nachgehen, mit der ich nie Kompromisse gemacht habe, obwohl ich meine Bilder damals nicht verkaufen konnte. Das sind die Bilder, die heute viele haben möchten, weil sie in Zusammenhang stehen mit dem, was bis heute noch kommen sollte, noch entstanden ist. Dann kam Layout: wieder wurde ich gefragt, ob ich Layout machen könnte. Wieder habe ich ja gesagt. Es fing an mit der "Freundin" und "DM Warentest" die in kurzer Zeit eine sehr hohe Auflage hatte. Dann eine Zeitung, die hiess "Zeitung". Die war frech, zu frech für ihre Zeit. Dann kam "Quick", der Kampf mit dem "Stern" um die besseren Fotos usw. Meine Malerei lief immer parallel! Als Herr Burda einige Zeit später ein Bild von mir kaufen wollte, und ich ihm den Preis nannte, antwortete er: "Aber Micus, auf der einen Seite ist ja garnichts drauf!" Ich erwiderte ihm: "Herr Senator, diese Seite kostet auch nichts!" Darauf lachte er und alles war ok. So lernte ich auch Hubert Burda kennen. Er studierte damals Kunstgeschichte und wollte gern Maler werden. Ich war Maler und musste für Zeitungen arbeiten! Auch mit HeImut Markwort entstand eine Freundschaft, die bis heute besteht. Die "Zeitungszeit" möchte ich nicht missen, Ich habe viel gelernt und sehr viele neue Freunde gewonnen. Auch Axel Ganz gehört bis heute dazu. Langsam fing ich an, mit meiner Zeit zu geizen. 1966 fuhren wir mit unseren beiden Kindern, Stephan und Katja, zum ersten mal nach Ibiza. 1972 als unser Haus, das wir als Ruine gekauft hatten, bewohnbar wurde und ich in Deutschland viel gefragt war ? inclusive Professur an der Akademie Hamburg - entschloss ich mich, das alles aufzugeben und meine Zeit nur noch der Malerei zu widmen. Der Entschluss, nach Ibiza zu gehen, war für mich eine gute Entscheidung. Der Anfang der Besiedelung durch "Extranjeros", die Hippy?Zeit usw. war ein schönes Kontrastprogramm. Wenn ein Leben rund sein soll, muss man beides kennen: die Stadt und das Land. Unser Leben in IBIZA war auf die Entdeckung des einfachen Lebens konzentriert. Die ersten Jahre ohne Strom, in der Zisterne von den Dächern gesammeltes Regenwasser und die Schaffung von genügend Lebensraum. Das waren unsere Gründerjahre. Ich habe gelernt, dass Wasser eine Kostbarkeit ist und elektrischer Strom nicht selbstverständlich. Ich habe notiert, wie leicht eine Insel veränderbar ist, wieviele Zuwanderer nur die Sonne im Kopf haben und vergessen, dass sie Gäste in einem anderen Land sind. Ich habe den Mond und die Sonne neu gesehen, das Wachsen der Gräser und das Wandern der Wolken wahrgenommen. Wir haben Kontakt zu den Einheimischen - unsere Nachbarn sind Freunde. Vieles habe ich gefunden, was ich in Deutschland vermisst oder übersehen habe. Ich malte weisse Bilder und hier auf der "Isla Blanca" fühlte ich mich gleich zuhause. Das Archaische nicht zu vergessen! Heute ist viel davon zerstört. Sie kommen mit Bulldozern und viele gleichen es dem an, was sie verlassen haben. Wer sein ganzes Gepäck mitschleppt in ein neues Land, liebt das neue Land nicht. Ich habe nie geglaubt, durch meine Bilder eine Familie ernähren zu können ? geschweige denn zu bauen. Heute sind wir eine Grossfamilie: meine Tochter und mein Schwiegersohn schmieden Gold und die 3 Enkelinnen gehen in die spanische Schule. Mein Sohn, er lebt in Artá auf Mallorca, macht Musik ("Micus... Micus .. sind Sie der Vater von dem Musiker?") Als Vater hört man gern solche Fragen! Ingrid meine Frau seit 50 Jahren, sagt: "Und ich bin die Lebenskünstlerin!" Nicht vergessen darf ich Maria Catalán, die junge spanische Kollegin, die mir seit 12 Jahren hilft und ich ihr ? sie gehört schon zur Familie. 1988 sah ich Maria Catalán, sie und ihre Arbeiten. Ich wusste sofort: da ist was. 12 Jahre arbeiten wir nun zusammen. Wir haben uns gegenseitig animiert zu arbeiten und immer wieder zu arbeiten. Ohne sie wäre in dieser Zeit nur die Hälfte meiner Arbeiten entstanden und von ihr umgekehrt genauso. Es gibt eine ungewöhnliche Übereinstimmung in der Beurteilung von Bildern. "Warum sind Ihre Bilder viel dunkler?" hat ein deutsches Fernsehteam sie gefragt ? Antwort: "Ich bin Spanierin und ich liebe den Schatten!". Ich freue mich sehr, wenn gute Sammler ihre Bilder kaufen. Es ist wie eine Bestätigung, dass ich vor 12 Jahren, als ich ihre Arbeiten sah, den richtigen Riecher hatte. Jeder Lehrer lernt auch von seinen Schülern; die meisten geben das nur nicht zu. Es ist schön, etwas von dem weitergeben zu können, was ich von meinem Lehrer Willi Baumeister empfangen habe. Überall ist der Weg schwer für einen jungen Maler. Wenn er nicht das Glück hat, im richtigen Moment jemanden zu treffen, der erkennt: "da ist ja was! Da muss man sich kümmern..." Das ist so selten, wie in der Lotterie gewinnen. Wenn Tapies in den Pyrenäen gewohnt hätte und nicht Miró und Picasso zum Freund gehabt hätte, würde man ihn vielleicht heute noch nicht kennen. Aber ein Trost: Wenn etwas gut ist, wird es einmal einen guten Platz finden ? so war das immer. Ob man selber das erlebt, ist eine andere Frage! Form = Inhalt ist die Schillersche und fast gleich-lautende Definition Goethes: "Umso grösser, triumphierender ist die Kunst, je mehr der Stoff (Inhalt) von der Form vertilgt wird." Eine unumstössliche Erklärung. An der Form erkennt man den Meister ? ob die Bilder auf dem Kopf stehen oder quer - man erkennt immer Grünewald, Dürer, Picasso oder wen auch immer der grossen Maler. Selbst wenn man Details nicht mehr erkennt oder die literarischen Inhalte. Jeder Künstler ist abhängig von dem, was um ihn herum passiert. Wenn es Freude, Trauer oder Zorn auslöst, wird man dem Bild ansehen, unter welchem Eindruck es entstanden ist. Neue Kunst ist zunächst für eine kleine Minderheit und später ein Fest für viele andere. Der Wunsch der vorhandenen Malerei etwas Neues hinzuzufügen, ist wie nach den Sternen greifen. Bilder malen ist einfach, aber Bilder malen, die identisch sind nur mit der eigenen Person, ohne fremde Anleihen, ist ein nicht endendes Programm. Die Bilder ändern sich mit den jeweiligen Empfindungen, die die Welt uns aufdrängt. Zum Schluss noch ein Gedicht von Ingrid, das mich sehr berührt: Und wenn auch niemand meinen Namen kennt,
(9) 1925 - 2000. In: Ausstellungskatalog Micus, 2000 ?,
S. 15-31
|